Daniel Kehlmann: „Ruhm“ – neun Geschichten sind eben doch kein Roman

Um möglichst unvoreingenommmen an die Sache heranzugehen, habe ich Daniel Kehlmanns neuen Roman „Ruhm – ein Roman in neun Geschichten“ gelesen, ohne mich vorab zu viel mit den zahlreichen Rezensionen zu beschäftigen. Und der Klappentext klang auch ziemlich vielversprechend: 
„Ein Mann kauft ein Mobiltelefon und bekommt Anrufe, die einem anderen gelten, nach kurzem Zögern beginnt er ein Spiel mit der fremden Identität. Ein bekannter Schauspieler wird von einem Tag auf den nächsten nicht mehr angerufen, als hätte jemand sein Leben an sich gerissen. Ein Schriftsteller macht zwei Reisen in Begleitung einer Frau, deren größter Alptraum es ist, in einer seiner Geschichten vorzukommen, ein verwirrter Internetblogger wiederum wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal Romanfigur zu sein. Ein weltweit gelesener Esoterik-Guru steht kurz vor dem Selbstmord, eine Krimiautorin geht auf einer abenteuerlichen Reise in Zentralasien verloren, eine alte Dame auf dem Weg in den Tod hadert mit dem Schriftsteller, der sie erfunden hat, und ein Abteilungsleiter in einem Mobiltelefonkonzern verliert über seinem Doppelleben zwischen zwei Frauen Arbeit und Verstand. Neun Episoden ordnen sich nach und nach zu einem romanhaften Gesamtbild: ein raffiniertes Spiel mit Realität und Fiktionen: ein Buch über Ruhm und Verschwinden, Wahrheit und Täuschungen.“

Völlig begeistert war ich, nachdem ich den herrlich bösen Vorabdruck in der FAZ gelesen hatte – eine leicht gekürzte Fassung der fünften Geschichte „Osten“ .

Allerdings hätte der Klappentext mich schon vorab skeptisch machen müssen, denn die Rede ist von einem „romanhaften Gesamtbild“, und als romanhaft würde ich „Ruhm“ beschreiben können, aber das Buch als Roman zu bezeichnen, fällt mir schwer. Zwar sind die einzelnen Geschichten wirklich sehr interessant miteinander verwoben, ein Ganzes gibt das aber nicht.
Und leider begeistern auch nicht alle 9 Geschichten gleichermaßen – positiv stechen auf jeden Fall hervor „Osten“ und „Wie ich log und starb“, anderes bleibt dafür leider ziemlich blass, beispielsweise „Stimmen“. Und bei „Der Ausweg“ hätte man gerne noch mehr gelesen, erfahren, wie das mit Ralf Tanner weitergeht.
Ich will nicht abstreiten, dass alles sehr intelligent und geistreich konstruiert ist und dass „Ruhm“ zum schnellen Herunterlesen zu schade ist, dazu enthält der fast schon schmale Band (gerade 203 Seiten) einfach zu viele geniale Ideen und mehr oder weniger in Nebensätzen versteckte Spitzen. Aber irgendetwas fehlt, um mich wirklich zu fesseln und zu beeindrucken – ist es, weil doch zu viel nur angerissen wird? Die Figuren meist recht oberflächlich bleiben? Manches aufgrund der Kürze nicht gerade glaubwürdig erscheint – und damit mein ich nicht, dass Rosalie plötzlich um Jahrzehnte verjüngt wird.

Fazit: Unterhalten hat mich die Lektüre, nachhaltige Wirkung wird sie wohl auf mich nicht haben.

Wer nun doch noch einen Überblick über die zahllosen Rezensionen haben möchte, dem empfehle ich als Einstieg die Zusammenfassungen bei perlentaucher.
In der Blogosphäre ist es in Sachen Kehlmann noch erstaunlich ruhig (oder kenne ich einfach die einschlägigen Seiten noch nicht?). Frust & Freude berichtet über Assoziationen mit Ruhm – vor und nach dem Erscheinen des neuen Kehlmann-Romans. BACKontheFUTURE interessiert sich vor allem für die Thematisierung der modernen Kommunikationstechniken im Roman. Stonesand sind der Ansicht, dass selbst Loriot schmunzeln müsse  bei so viel Witz.

Wie Daniel Kehlmann wohl reagiert, wenn man ihm die folgenden beiden Fragen stellt:
1. Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen?
2. Schreiben Sie eigentlich morgens oder nachmittags?
Als Steigerung könnte man noch ergänzen: Ich habe ihr letztes Buch während der Fahrt von X nach Y gelesen  🙂

Hinterlasse einen Kommentar